Opinel-Museum und Fabrikbesuch in Frankreich
Opinel ist eine Marke, die Du wahrscheinlich schon einmal gesehen hast, egal ob du ein Messerliebhaber bist oder nicht. Es ist in fast jedem Outdoor- oder Küchengeschäft zu finden. Aber wie ist diese kultige französische Marke eigentlich entstanden? Wie wurde aus einer kleinen Werkstatt in Frankreich ein weltweit anerkanntes Symbol für Handwerkskunst? Auf Einladung von Opinel sind wir nach Savoie, Frankreich, gereist, um diese Geschichte hautnah zu erleben.
Inhaltsverzeichnis:
Der Opinel-Hauptsitz
Nach einem kurzen Flug von Amsterdam nach Genf, Schweiz, wurden wir zu einer einstündigen Fahrt durch die atemberaubende französische Berglandschaft abgeholt. Unser Ziel: der Hauptsitz von Opinel in Chambéry. Hier wurden wir herzlich empfangen und tauchten sofort in die reiche Geschichte der Marke ein. Eines der ersten Dinge, die wir sahen, war die Originalvitrine von Opinel für die Alpenausstellung 1911 in Turin, bei der Joseph Opinel von der Jury die Goldmedaille erhielt. In dieser Vitrine glänzte sein berühmtes Opinel Savoie, das in den Größen erhältlich war, die wir heute noch kennen. Doch damit nicht genug: Die Sammlung umfasste auch Küchenmesser, Tafelmesser, Rasiermesser, Scheren, Käsebohrer, Baumstumpfmesser und Korkenzieher, die schnell zu einem festen Bestandteil der Sammlung wurden.
Musée Opinel und die Geschichte von Opinel
Nachdem wir unsere Sachen abgegeben hatten, fuhren wir zum Opinel-Museum, das im Schatten der französischen Alpen liegt. Ein großes Schild mit der Aufschrift 'L'Opinel' entlang der Straße erinnerte uns daran, dass es sich um keine gewöhnliche Messermarke handelt. Das Museum in Saint-Jean-de-Maurienne umfasst fast 700 m² und ist ganz der Geschichte des berühmten Savoyer Messers gewidmet. Hier erfuhren wir etwas über die wichtigsten historischen Entwicklungen der Marke.
1872 - Die Geburt von Joseph Opinel
Die Geschichte beginnt mit Victor-Amédée Opinel, einem umherziehenden Händler, der das Schmieden von Nägeln erlernte und in der Nähe von Saint-Jean-de-Maurienne eine Schmiede gründete. Sein Sohn Daniel setzte die Tradition als Schmied fort, der bei den Bauern der Umgebung sehr beliebt war. Joseph Opinel, der älteste Sohn von Daniel, wurde 1872 geboren und zeigte schon früh Interesse an Innovationen. Mit 18 Jahren arbeitete er in der Werkstatt der Familie und entwickelte eine Leidenschaft für neue Technologien, indem er sogar seine eigene Kamera baute. Trotz des Widerstands seines Vaters, der traditionelle Handwerkskunst der Moderne vorzog, perfektionierte Joseph in seiner Freizeit ein kleines Taschenmesser: das Opinel.
1897 - Die Entstehung von Nummer 1 bis 12
Innovativ wie er war, beschloss Joseph Opinel, sein Messer in verschiedenen Größen herzustellen, die für unterschiedliche Benutzer und Schneidaufgaben geeignet waren. Im Jahr 1897 entwickelte er 12 verschiedene Größen, die von 1 bis 12 nummeriert waren. Das kleinste Messer, Nr. 1, hatte sogar einen Ring, um es an der Kette einer Taschenuhr zu befestigen. Die Produktion sowohl der Nr. 1 als auch der Nr. 11 wurde 1935 eingestellt. Heute hat das kleinste Opinel-Messer, No. 2, eine 3,5 cm lange Klinge, während das größte Messer, No. 12, eine 12 cm lange Klinge hat.
Aufgrund des anhaltenden kommerziellen Erfolges musste Joseph große Mengen produzieren. Joseph verließ die väterliche Schmiede und baute seine eigene Fabrik auf, in der er die Produktion rationalisierte und Maschinen zur schnelleren Herstellung von Griffen entwickelte.
1909 - Der Ursprung der gekrönten Hand
Im Jahr 1565 ordnete König Karl IX. von Frankreich an, dass jeder Messermacher seine Produkte mit einem Emblem als Herkunfts- und Qualitätszeichen kennzeichnen musste. Um diese Tradition fortzusetzen, wählte Joseph Opinel 1909 die gekrönte Hand als sein Emblem. Dieses aus dem Wappen von Saint-Jean-de-Maurienne abgeleitete Symbol stellt die segnende Hand des Heiligen Johannes des Täufers dar und erinnert an den Status Savoyens als Herzogtum. Seitdem sind alle Opinel-Messer und -Werkzeuge mit diesem Emblem versehen. Das ursprünglich waagerecht angebrachte Logo wurde später senkrecht auf der Klinge platziert und bildete das Opinel-Logo, wie wir es heute kennen.
1915 - Umzug nach Chambéry
Joseph erkannte, dass er sein Geschäft in dem abgelegenen Dorf nicht weiter ausbauen konnte. Während des Ersten Weltkriegs fand er einen geeigneteren Standort am Rande von Chambéry, in Cognin. Hier kaufte er eine alte Gerberei mit einem Wasserfall am Kanal von Hyères, in der Nähe des Bahnhofs. Diese strategische Lage inmitten des Schienen- und Straßennetzes bot große Vorteile. Mit Hilfe von Maultieren und Ochsen wurde die Fabrik nach Chambéry verlegt. Nach einer gründlichen Renovierung begann Joseph zusammen mit seinen Söhnen Marcel und Léon im Jahr 1917 mit der Weiterentwicklung der Marke Opinel.
Chambéry, damals ein Zentrum der Eisenbahn, beherbergte viele Arbeiter. Der Überlieferung nach schenkte Joseph Opinel einer großen Gruppe von Eisenbahnarbeitern kostenlos ein Opinel-Messer. Dieser kluge Schachzug stärkte den Ruf von Opinel als Messer für den Arbeiter und trug zum Status der Marke als zuverlässiges, alltägliches Werkzeug bei.
1955 - Erfindung des Virobloc
Das ursprüngliche Opinel-Messer bestand aus vier Teilen: Der Klinge, dem festen Ring, der Niete und dem Griff. 1955 führte Marcel Opinel das Virobloc-System ein, einen drehbaren Ring, der die Klinge in der geöffneten Position arretiert. In den 1990er Jahren wurde dieses System weiterentwickelt, um die Klinge auch in geschlossener Position zu verriegeln. Seit dem Jahr 2000 ist das Virobloc-System bei allen Modellen außer den kleinsten Taschenmessern von Opinel standardmäßig eingebaut.
1985 - Eine Design-Ikone
Das Design des Opinelmessers ist eines der erfolgreichsten überhaupt und hat sich seit seiner Einführung kaum verändert. Im Jahr 1985 wurde Opinel vom Victoria and Albert Museum als einer der 100 bestgestalteten Gegenstände der Welt ausgezeichnet, neben Ikonen wie dem Porsche 911 und der Rolex-Uhr.
2012 - Opinel entwickelt sich weiter
Trotz seiner vielen Erfolge entwickelt sich Opinel ständig weiter. Im Jahr 2012 machte die Marke einen revolutionären Schritt mit der Einführung ihres ersten Messers mit einem Polymergriff. Während früher alle Griffe aus Holz gefertigt waren, bot das Polymermaterial neue Möglichkeiten: Es ist wasserfest, hitzebeständig und ideal für extreme Bedingungen. Außerdem ermöglichte dieses Material einen besonderen Zusatz: eine eingebaute Pfeife im Griff. Obwohl Opinel schon seit Jahren mit dieser Funktion experimentiert hatte, konnte sie sich bei Holz nie durchsetzen.
Ein Blick in die Fabrik von Opinel
Nach unserem Museumsbesuch kehrten wir in die Fabrik zurück, die sich neben dem Hauptsitz von Opinel befindet. Auf dem Weg dorthin kamen wir am größten Opinel der Welt vorbei, der stolz auf einem Kreisverkehr in Saint-Jean-de-Maurienne steht. Dieses berühmte Wahrzeichen ist ein beliebtes Ausflugsziel für Tour-de-France-Fans. Opinel hat daher zu Ehren der Tour mehrere Sondereditionen seiner Messer herausgebracht. Das Jahr 2024 ist für Opinel ein besonderes Jahr, denn die Tour de France wird in Saint-Jean-de-Maurienne starten, wo sich auch das Museum befindet.
6,5 Millionen Messer pro Jahr
Mit all dem Wissen, das wir über die Geschichte und die Produktion von Opinel gewonnen hatten, war es faszinierend, die Fabrik zu besuchen. Hier wurde der Umfang, in dem Opinel agiert, erst richtig deutlich. Mit einer Jahresproduktion von mehr als 6,5 Millionen Messern und einer Gesamtproduktion von schätzungsweise 315 Millionen Messern seit der Gründung der Marke ist es fast unmöglich, sich vorzustellen, dass diese einst als bescheidene Schmiede begann.
Die Herstellung von Handgriffen
Für die Griffe verwendet Opinel hauptsächlich Buchenholz, eine lokale Holzart, die in den Südalpen, nur eine Autostunde von der Fabrik entfernt, abgebaut wird. Buchenholz ist wegen seines geringen Feuchtigkeitsgehalts und seiner guten Eignung für die Verarbeitung eine beliebte Wahl. Enthält das Holz mehr als 10 % Feuchtigkeit, ist es in diesem Bereich nahezu unbrauchbar.
Jedes Holzstück wird genau auf die Größe der jeweiligen Messer zugeschnitten. Schon wenige Millimeter Abweichung können zu Problemen im Produktionsprozess führen. Die zugeschnittenen Blöcke werden dann in riesige Drechselmaschinen gelegt, die mit einer Kopierschablone die charakteristische Form des Griffs aus dem Holz schneiden. Dadurch wird sichergestellt, dass jeder Griff konsistent und von hoher Qualität ist.
Obwohl Opinel jedes Jahr Millionen von Messern herstellt, wird jeder Griff streng auf Materialfehler geprüft. Holz ist selbstverständlich ein Naturprodukt und daher nie zu 100 % perfekt.
Opinel ist sehr auf Nachhaltigkeit bedacht, dazu später noch mehr. Ein Beispiel dafür ist die Atelier-Kollektion. Für die Griffe dieser Kollektion verwendet Opinel hauptsächlich Holzreste, die bei der Produktion anderer Messer anfallen. Diese Serie zeigt viel Kreativität und handwerkliches Geschick der Holzarbeiter, die sich verschiedene eigene Kombinationen ausdenken. Außerdem wird jeder Griff selbst zusammengebaut, und es steckt viel Handarbeit darin, was diese Kollektion zu etwas ganz Besonderem macht.
Die Produktion der Klingen
Opinel stellt Messer sowohl mit Klingen aus Kohlenstoffstahl als auch aus rostfreiem Stahl her. Kohlenstoffstahl, eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff, ist robust und behält seine Schärfe lange bei, ist aber anfällig für Oxidation. Um die Korrosion zu verringern, werden mindestens 10,5 % Chrom hinzugefügt, was zu rostfreiem Stahl oder „inox“ führt. Diese beiden Stähle werden von Opinel schon seit vielen Jahren verwendet. Opinel strebt eine Härte von 57 HRC an, um ein Gleichgewicht zwischen Klingenstärke und Korrosionsbeständigkeit zu erreichen. Die Klingen kommen im Rohzustand ins Lager und werden dann in Chargen geschliffen.
Die Klingen werden mit speziell für Opinel hergestellten Schleifscheiben nach einem geheimen „Rezept“ geschärft. Die Klingen werden auf der Innenseite der Schleifscheiben geschliffen, nicht auf der Außenseite, wodurch sie einen konvexen Schliff erhalten. Dieser Schliff ist robuster als der Flach- oder Hohlschliff, so dass ein Opinel-Messer trotz seiner dünnen Klinge einiges aushalten kann.
Die Herstellung des Virobloc-Systems und der Zusammenbau der Klingen
Die Virobloc-Verriegelung ist vielleicht die am Meisten auffallende Eigenschaft eines Opinel-Messers und macht die Marke wirklich einzigartig, im Gegensatz zur Konkurrenz. Bei unserem Rundgang kamen wir an der Maschine vorbei, die die berühmte Virobloc-Verriegelung herstellt. In mehreren sorgfältigen Arbeitsschritten wird der charakteristische Ring aus einem Stück Stahlblech geformt. Leider, wenn auch verständlicherweise, durften wir diesen Prozess nicht aufzeichnen, da die dabei verwendeten Techniken streng geheim sind. Es war schon ein beeindruckendes Erlebnis, neben dieser Maschine zu stehen und zu wissen, dass alle Virobloc-Schlösser, die wir bei Knivesandtools in den Händen gehalten haben, aus dieser Maschine stammen. Es war, als stünden wir direkt neben dem schlagenden Herzen von Opinel.
Besonders auffallend war, dass die Montage, einschließlich des Schärfens der Klingen, immer noch größtenteils von Hand erfolgt, was angesichts der Tatsache, dass Opinel Millionen von Messern herstellt, beeindruckend ist. Hier wird die Virobloc-Verriegelung auf das Taschenmesser aufgesetzt und verwandelt das Messer in ein echtes Opinel.
Opinel und Nachhaltigkeit
Bei einer Produktion in so großem Maßstab sind Nachteile unvermeidlich könnte man meinen. Hier ist dies aber nicht der Fall. Opinel holt das Maximum aus jeder Situation heraus und ist außerordentlich nachhaltig - ein Begriff, der heutzutage oft verwendet wird, aber nicht immer zutreffend ist. Nur wenige Messermarken haben sich so sehr der Umweltfreundlichkeit verschrieben wie Opinel, das sorgfältig über seine Auswirkungen auf die Umwelt nachdenkt. Hier sind einige Beispiele für ihr Engagement:
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Opinel bezieht sein Holz hauptsächlich von zertifizierten Unternehmen, wobei 95 % des Holzes aus nachhaltig bewirtschafteten französischen Wäldern stammt.
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50 % der Lieferanten von Opinel sind in der Region Auvergne-Rhône-Alpes angesiedelt, 80 % in Frankreich, was dazu beiträgt, die Umweltbelastung durch den Transport zu minimieren.
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Alle Holzschnitzel, die bei der Herstellung der Griffe anfallen, werden verbrannt, und die dabei freigesetzte Wärme wird zur Beheizung von Werkstätten und Büros verwendet.
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Opinel arbeitet mit spezialisierten externen Unternehmen zusammen, um sicherzustellen, dass sie alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Dazu gehören regelmäßige Messungen von Luft- und Wasserableitungen, Staubemissionen, Lärm, des Energieverbrauches und der Abfallwirtschaft.
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Wie bereits erwähnt, werden die Griffe der Atelier-Kollektion aus Holzresten hergestellt, um sicherzustellen, dass Opinel die Ressourcen optimal nutzt und Abfall vermeidet.
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Schon seit Jahren verwendet Opinel Kartonverpackungen mit umweltfreundlicher Tinte. Das Verpackungsdesign reduziert die benötigte Kartonmenge, und die Produkte werden in 6er- oder 12er-Packungen und nicht einzeln verkauft.
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Seit 2016 arbeitet Opinel mit Pollinium zusammen, das vier Bienenstöcke an seinem Standort in Chambéry aufgestellt hat. Diese Zusammenarbeit hilft Opinel, die Bedeutung der Bienen für die biologische Vielfalt zu verstehen, und ist eine Hommage an Joseph Opinel, der selbst ein leidenschaftlicher Hobby-Imker war.
Ein Eye-Opener
Der Besuch der Opinel-Fabrik öffnete uns die Augen und vermittelte uns ein tieferes Verständnis für das Ausmaß, in dem Opinel seine kultigen Messer herstellt. In einer Welt, in der die Massenproduktion oft billige Produkte aus Asien liefert, ist es erstaunlich, wie besonders Unternehmen wie Opinel mit ihrer reichen Geschichte und Handwerkskunst sind. Ein Opinel-Messer bietet ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und gehört unserer Meinung nach in die Sammlung eines jeden Messerliebhabers. Hast Du schon ein Opinel? Dann solltest Du unbedingt auch das Museum in Saint-Jean-de-Maurienne besuchen, das ist ein Erlebnis, das Du nicht verpassen solltest!